Alles ist Rose. Unzählige Male wurde sie bedichtet und gemalt, im Knopfloch getragen und zu Pomade verarbeitet. Sie wurde in Gold gefasst, und für sie ruhten die Waffen. Im Schlachtenlärm der Perserkriege und Kreuzzüge eroberte sie die Welt, in ihrem Zeichen wurden von 1455 bis 1485 in England zwischen der roten Rose von Lancaster und der weißen Rose von York die Rosenkriege geführt. Sie war Gegenstand höchst herrschaftlicher Befehle wie bei Karl dem Großen, der jedem Garten des Reiches eine Rose verordnete, und kaiserlicher Leidenschaft wie bei der liebeskranken französischen Kaiserin Joséphine, die Trost bei den Rosen suchte und die bis dato größte Rosensammlung schuf, die noch heute in Paris zu besichtigen ist.

Die Rose hat ihren Namen dem Rosenmontag, der Rosenwange, dem Herzensstein Rosenquarz oder auch dem Rosenkohl überlassen. Sie ziert Briefmarken und Wappen. Die Verehrer der Rose sind feinsinnig und gelegentlich derb. Rosenliebhaber sind in Rosennamen verewigt. Die Poesie mancher Rosennamen spiegelt Geschichte(n) und Schicksale, Ruhm und Starglitter. Obgleich sich in der Geschichte der Rose, wie in keiner anderen Pflanze, die Kulturgeschichte der Menschen spiegelt, lässt sie sich nie ganz erobern. Bei jeder veredelten Rose bleibt ein Rest unbezähmbarer Wildheit, der gelegentlich den Tod der Veredelten nach sich zieht. Die Komponenten ihres Dufts sind bis heute nicht vollständig entschlüsselt. Dieser Eigensinn des Lebens berührt die Menschen wie jene unbedingte Freiheit der Rose, die Scheich Hafis im 14. Jahrhundert im Rosenland Persien besang: »Sonne, Tau und süßen Wind von Ost,/ Allen Glanz und alles Glück der Erde/ Weiß sie frei und unbesorgt zu kosten.«

So bewahrt sie denn seit Jahrtausenden etwas von ihrem Geheimnis, auch vor all jenen, die ihre Geschichte erforschen. Entzifferte Inschriften und chemisch analysierte Grabfunde, Legenden und Dokumente haben es nicht vermocht, sie zu entzaubern. Sanft schaukelt sie im Lauf der Dinge, lehrt Leben- und Sterbenlernen. Sie berührt die jedem Menschen innewohnende Sehnsucht nach Glück und Liebe; sie verführt zum Träumen; sie ist »eine leidenschaftliche Andeutung, ein Griff ins Unmögliche, eine Herausforderung aus den Tiefen des menschlichen Dennoch« (Rudolf Borchardt).

(Auszug aus Eva Rosenkranz: Überall ist Garten – Zufluchtsort zwischen Lebenskunst und Überleben; oekom Verlag 2019; Illustration von Ulrike Peters)

Eva Rosenkranz

Überall ist Garten

Zufluchtsort zwischen Lebenskunst und Überleben
352 Seiten, oekom verlag München, 2019
ISBN-13: 978-3-96238-107-3

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  • © Ulrike Peters
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