Der April ist ein Spieler. Er setzt alles auf eine Karte, reizt unsere Wünsche wie ein ausgekochter Pokerspieler. Full House oder Bad Beat, all-in oder Showdown. Er neckt und schummelt, er weckt Begierden und serviert eiskalt ab. Aber am Ende löst er die Versprechen des März ein: Es wird Sommer.

Nein, der April ist nicht launisch. Das widerspricht meinen Erfahrungen im Garten. Er ist spielerisch. Ein Experimentierer mit dem, was der Frühling an Möglichkeiten und Verlusten bietet. Viele Menschen meiden das Spielen – selbst für Kinder hat das Organisierte heute Vorrang. Spielen streckt der toughen Leistungsgesellschaft die Zunge heraus. Absichtslosigkeit widerspricht Disziplin und Kontrolle.

Der April probiert, was geht, lotet Grenzen aus zwischen den großen Blöcken Winter und Sommer. Dabei scheut er keineswegs die Extreme. Mal spielt er uns Sommer vor – und wenn wir uns gerade dieser Illusion hingegeben haben, lässt er uns im Schnee stehen. Doch selbst bei österlichem Kälteeinbruch sehen wir ihm diese Eskapaden nach, denn wir wissen: Die Sache wird gut ausgehen. Es wird Sommer werden. Die Zeit der Fülle beginnt. Deshalb sehe ich im April auch den Optimisten unter den Monaten. Er lehrt spielerisch Zuversicht. Manchmal spüre ich ihn wie eine wilde Achterbahnfahrt, mit seinen Höhen und Tiefen, dann wie einen beschwingten Tänzer durch die Angebote des Frühlings.

Das Spiel des Sommerhalbjahres beginnt also. Der April ist oft weniger wetterwendisch als der Mai. Das Jahr ist jung, der Winter hat verloren – auch wenn er hier und da noch ein bisschen Widerstand leistet. An kalten Tagen erschreckt er mich. An milden Tagen glaube ich das Wachsen zu sehen. Die Meisen trödeln herum, scheinen mir unschlüssig, ob es das jetzt war mit dem ewigen Futtersuchen, Frösteln, Vergebens-auf-Mücken-Lauern. Sie knabbern ein wenig am Winterfutter, lassen aber das meiste liegen. Drei sitzen auf den Stuhllehnen der Terrasse und blinzeln in die Sonne. Vielleicht genießen sie die Wärme wie ich, vielleicht sind sie schon verliebt (gibt es das bei Vögeln überhaupt?), aber noch nicht im Vermehrungsstress.

Der April ist der Monat schneller Wechsel, kraftvoller Entschlüsse und mutiger Manöver, wie es sich für einen guten Spieler gehört. Manchmal könnte man ihn fast kühn nennen.

Und er ist in vielerlei Hinsicht der Monat des ersten Mal – ein erster Aurora-Falter, die ersten werbenden Rufe des Laubfrosch, die erste Hornisse, die erste Schwalbe, die ersten Kirschblüten, die ersten Gartenrotschwänze, der erste Wollschweber, der erste Kuckuck, das erste Starenmännchen und die erste schwarzblaue Holzbiene. Manchmal der erste Storch. Früher die erste Lerche und der erste Kiebitz.

Alles Hoffnungsboten für den Beginn eines durchaus ernsthaften Spiels, Niederlagen, Verluste und Schmerz inbegriffen.

(Auszug aus Eva Rosenkranz: Überall ist Garten – Zufluchtsort zwischen Lebenskunst und Überleben; oekom Verlag 2019; Illustration von Ulrike Peters)

Eva Rosenkranz

Überall ist Garten

Zufluchtsort zwischen Lebenskunst und Überleben
352 Seiten, oekom verlag München, 2019
ISBN-13: 978-3-96238-107-3

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  • © Ulrike Peters
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