Der August ist ein Flaneur. Er vereint Müßiggang, Wissen, Genuss. Er verbindet Fülle mit der Gewissheit, dass der Sommer vergeht. Das Licht hat an Schärfe verloren. Nachts stromern Glühwürmchen durch den Garten, tagsüber nimmt der Grünspecht hier und da ein Bad im Ameisenhaufen. Große grüne Heupferde verhüpfen sich ins Haus. Die Vögel bummeln herum; das Brutgeschäft ist erledigt. Vorräte sammeln kann noch etwas warten und der Flug in die Ferne auch. Die Honigbienen planen, wie sie die nutzlosen Drohnen vor dem Winter loswerden, der für sie bereits Mitte September beginnt. Doch alles hat noch ein wenig Zeit.

Die größte Hitze ist meist vorbei, die Nächte können bereits kühl werden. Wo im Juli unnachsichtige Mittagshitze Ruhe erzwingt, empfinde ich die August-Wärme als anmutiger. Der Garten geht eigene Wege; was jetzt nichts geworden ist, verschiebt man besser auf den kommenden April – es sei denn man möchte (im Herbst) Büsche und Bäume pflanzen oder Stauden teilen. Die rosa Flut aus Malven und wildem Majoran hat meine Wiese erobert, Baldrian blüht hier und da. Wo ich gehe und stehe, umgibt mich ein beruhigendes Summkonzert.

Das verkannte Wort vom Trödeln geht mir durch den Kopf. Als Kinder sollten wir auf dem Heimweg von der Schule nicht trödeln – was wir trotzdem meist taten. In anderer Bedeutung meinen wir mit Trödel das Nutzlose. Immer scheint mir etwas Überflüssiges in diesem Wort zu stecken, überflüssige Zeit, überflüssige Dinge. Alles was wir nicht zielgerichtet und schnell als nützlich erkennen, ist verzichtbar in einer auf Effektivität und Produktivität konzentrierten Gesellschaft. Dabei sind es gerade die Zwischenräume, die Zwischentöne, in denen Potenzial für Neues, Anderes steckt – vielleicht. Der August lädt mich zum Trödeln ein, im Garten und auch sonst. Vielleicht ein bisschen wie der lakonische Ausspruch von Clint Eastwood: „Ich reite in eine Stadt – der Rest findet sich.“

Üben wir uns also ein wenig im Laissez-faire.

An manchen Tagen ist der August wie ein sanfter Sommercocktail. Vielleicht ein paar Pfefferminzblätter aus dem Blumenkasten, ein Spritzer Ingwersud, ein wenig Zitronenbalsam und ein Schuss Pfirsichsaft, aufgefüllt mit Eiswasser oder Prosecco. Er macht einen leichten Kopf und beschwingt wie ein Sommerkleid. Heiterkeit ist das Stichwort. Und die Grillen untermalen dieses Wohlgefühl. In diesem Sinne ist der August für mich das Gegenbild zu einer Welt aus Atemlosigkeit, nichts sehender, nichts spürendender Schnelligkeit und Beschleunigung, die uns aus der Kurve tragen. Man könnte ihn auch als begeisterten Zeitverschwender beschreiben, der jedes Zeitdiktat ignoriert. Wenn wir ihm uns für eine Weile anvertrauen.

(Auszug aus Eva Rosenkranz: Überall ist Garten – Zufluchtsort zwischen Lebenskunst und Überleben; oekom Verlag 2019; Illustration von Ulrike Peters)

Eva Rosenkranz

Überall ist Garten

Zufluchtsort zwischen Lebenskunst und Überleben
352 Seiten, oekom verlag München, 2019
ISBN-13: 978-3-96238-107-3

Bildnachweis:

  • © Ulrike Peters
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