Das sechste große Artensterben hat begonnen

Die Ergebnisse des gerade vorgelegten Berichts des Weltbiodiversitätsrats sind dramatisch. Auch nüchterne Zeitgenossen beschleicht langsam die Angst, dass es jetzt ans Eingemachte, sprich an das Leben vor unserer Haustür geht.

„Erkenntnisverweigerung ist der sicherste Weg in den Untergang.“ Das schreibt nicht irgendein weltfremder Ökoaktivist, sondern die seriöse konservative Frankfurter Allgemeine. Und der dortige Kommentator gesteht, dass er zusammenzuckte angesichts der Fakten, die der Weltbiodiversitätsrat auf der Basis von 15 000 Studien aus 50 Ländern im Mai 2019 vorgelegt hat.

Selbst das Bundesministerium für Bildung und Forschung überschreibt seine Pressemitteilung warnend: „Weltweiter Verlust von Arten bedroht unsere Lebensgrundlagen.“

Der Zustand unserer Natur verschlechtert sich dramatisch und immer schneller. Die weltumspannende ökologische Krise ist unübersehbar – und wir sind mittendrin. Denn es geht nicht darum, dass ein paar Wenige den Verlust von Biene, Schmetterling & Co. bedauern. Es geht darum, dass wir, wie die Dinosaurier beim fünften großen Artensterben vor 65 Millionen Jahren, diesmal dabei sein werden. Und dass wir angesichts des galoppierenden Arten- und Lebensraumschwund nicht mehr in Millionen Jahren rechnen können. Die Chancen für einen ökologischen Kollaps stehen aus Sicht des Planeten Erde gut, für uns eher schlecht.

 

Die Fakten

Die Fakten des Weltbiodiversitätsberichts sprechen für sich:

  • Von den 8 Millionen bekannten Arten (davon 5 Millionen Insekten) sind 1 Million in den kommenden Jahrzehnten, also zu unseren Lebzeiten, vom Aussterben bedroht.
  • 75 Prozent der Erdoberfläche sind stark verändert, 23 Prozent so stark, dass sie nicht mehr genutzt werden können.
  • 66 Prozent der Meere sind durch menschliche Eingriffe stark beeinträchtigt.
  • 85 Prozent aller Feuchtgebiete sind zerstört.
  • 23 Prozent der Lebensgemeinschaften/Ökosysteme an Land sind so stark geschädigt, dass ihr innerer Zusammenhalt nicht mehr funktioniert.
  • 23 Prozent aller bekannten Tier- und Pflanzenarten sind bedroht.
  • Das Insektensterben könnte jede zehnte Art gefährden.
  • Durch den Verlust von immer mehr Insekten sind Nahrungsmittel im Wert von bis zu 570 Milliarden Dollar jährlich bedroht.
  • Zwischen 1989 und 2000 wurden 100 Millionen Hektar Regenwald vernichtet, allein zwischen 2010 und 2015 weitere 32 Millionen Hektar.

Die Artenvielfalt schwindet in nie dagewesenem Tempo. Und damit einher geht eine überlebensgefährliche Auszehrung der genetischen Vielfalt. Aber genetische Vielfalt ist die Überlebensversicherung der Ökosysteme, in die wir eingebunden sind.

Das Sterben ist also vor unserer Haustür angekommen. Wasser, Boden, Nahrung sind geschädigt. Mit Reparaturmaßnahmen kommen wir längst nicht mehr nach.

 

Die Ursachen

Die Ursachen sind unbestritten und werden im Biodiversitätsbericht klar benannt:

  • der ungehemmte Flächenverbrauch durch Landwirtschaft und Siedlungsgebiete – also die systematische Zerstörung von Lebensräumen
  • die Ausbeutung von Organismen
  • der Klimawandel
  • die Umweltverschmutzung.

Wir haben uns die Erde untertan gemacht, ohne zu begreifen, dass wir Teil dieses hochkomplexen und unserer Intelligenz weit überlegenen Systems sind, das wir Natur nennen. Es geht eben nicht mehr um die Bedrohung von Eisbären und Nashörnern, der wir im gemütlichen Sessel zuschauen. Es geht um uns. Und jeder kann es sehen.

 

Fußnote zum Artenschutz auf Bayerisch:

Wenige Tage nachdem Ministerpräsident Markus Söder sich als Vorreiter des Naturschutzes inszeniert hat, stoppt sein Umweltminister die laufende Biotopkartierung, die erst die Basis für Schutzmaßnahmen liefert. Frei nach der Devise: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Es wird schon nicht so schlimm sein.

Bildnachweis: