Wachse oder weiche! Diese Forderung steht seit Jahrzehnten im Mittelpunkt nationaler und europäischer Agrarpolitik, vor Ort vorangetrieben durch die Bauernverbände. Eine exportorientierte, industrialisierte Landwirtschaft (“wir ernähren die Welt“) wurde den Bauern-Unternehmern also aufgezwungen. Ergebnis: Innerhalb von nur 20 Jahren wurden deutschlandweit 42 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe geschlossen (Stand: 2018). Mit dramatischen Folgen für die Betroffenen, für Boden, Wasser, Artenvielfalt und Kulturlandschaft.

Allein im kleinbäuerlich geprägten Bayern gingen zwischen 2010 und 2018 knapp 14 000 Höfe verloren, bei einem Gesamtbestand von rund 90 000. Zusperren mussten vor allem kleine Betriebe; die verbliebenen Höfe vergrößern ihre Flächen und vergrößern ihre Tierbestände. Die schlimmsten Einbrüche erleben die Rinderhalter mit heute noch etwa 45 000 Betrieben (1970: 278 000). Der Tod der bäuerlichen Landwirtschaft wird vielfach prognostiziert.

Deutschlandweiter Abwärtstrend bei landwirtschaftlichen Betrieben

  • 1998
  • 2018

Besonders deutlicher Rückgang bei den Rinderhaltern

  • 1970
  • 2019

 Unterstützt wird diese Entwicklung durch die Regeln der Subventionsvergabe innerhalb der EU. Im aktuellen Förderzeitraum von 2014 bis 2020 werden europaweit 61 Milliarden Euro verteilt, davon 6,1 Milliarde an Deutschland; der größte Teil wiederum mit 976 Millionen fließt  nach Bayern. Das komplizierte Vergabegeflecht hält ein Prinzip zusammen: Die Zahlungen richten sich nach der Fläche; daraus folgt, dass 20 Prozent der Berechtigten 80 Prozent der Subventionen bekommen. Die Hektarbeträge liegen bei etwa 300 Euro. Manche Betriebe sind bis zu 50 Prozent von diesen Subventionen abhängig.

Vielfach kritisiert wird, dass bei der Vergabe dieser Mittel nicht geprüft wird, welche Betriebe sie benötigen, und dass sie nicht an naturschützende, umweltschonende und gesellschaftlich relevante Maßnahmen geknüpft werden. Unabhängig von vielfach geforderten neuen Vergaberichtlinien bei den aktuellen Verhandlungen für den Zeitraum ab 2020 könnte die Bundesregierung aber heute schon mehr im Sinne des Arten-, Boden- und Wasserschutzes sowie der bäuerlichen Landwirtschaft tun. Sie könnte bis zu 15 Prozent der Direktzahlungen umwidmen, um damit umwelt- und klimabezogene Leistungen landwirtschaftlicher Betriebe zu honorieren. Sie tut dies aber nur mit 4,5 Prozent der Mittel. Außerdem könnte sie mehr Mittel kleineren Betrieben zukommen lassen.  Auch wird also gern vom Schutz der kleinen Betriebe gesprochen und entschuldigend auf Brüssel verwiesen, in Wahrheit werden aber die Pfründe der Großen geschützt.

 

Ein Wechsel wäre möglich

Der Agraratlas der Böll-Stiftung 2019 kommt denn auch zu dem Ergebnis: „Deutschland könnte seine Landwirtschaft also bereits heute neu ausrichten, zumindest teilweise. Eine solche Umkehr scheitert an mangelndem politischen Willen, fehlenden Zielvorstellungen und der erfolgreichen Lobbyarbeit derjenigen, die von den Zahlungen profitieren … Außerdem brauchen wir gesellschaftlich ausgehandelte Zielvorstellungen darüber, welche Aufgaben die Landwirtschaft hat.“

Die Debatte um diese Ziele hat in Bayern derzeit eine neue Dimension erreicht. Mehr Menschen erkennen, dass Vielfalt von Arten, von Anbauformen, von Lebensräumen, in der Gesellschaft und in Europa unser aller (Über-)Lebensversicherung ist. Einfalt, Mono und Masse zerstören sich am Ende selbst. Vielfalt auf allen Ebenen ist das Erfolgsgeheimnis der Evolution – und es ist der Schlüssel für die Bewahrung der Erde.

 

P.S. Wen interessiert, warum wer in Brüssel und zuhause welche Agrarpolitik macht, kann neue Informationen und Studien unter folgenden Links finden:

Studie zu Verflechtungen und Interessen des Deutschen Bauernverbandes (DBV)

NABU (Naturschutzbund Deutschland) e. V. | April 2019

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